Die Nullsummen-Präsidentschaft
Nicht Ideologie, sondern Mentalität erklärt, wie Trump regiert – und warum er gewann.

Es hätte von Anfang an klar sein müssen, dass eine zweite Amtszeit von Donald Trump deutlich radikaler und wirkungsvoller sein würde als seine erste.1 Und doch ist das Tempo und das Ausmaß, mit dem er seinen Willen dem Land aufzwingt, verblüffend. In den ersten zwei Wochen nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus unterzeichnete er über 50 Erlasse. Er verschärfte Abschiebungen und beendete den Schutzstatus für venezolanische Einwanderer. Er schloss eine große Bundesbehörde und entließ Dutzende Beamte. Er drohte, in Grönland und Panama einzumarschieren. Er verhängte neue Zölle gegen China, begann einen (kurzlebigen) Handelskrieg mit Kanada und Mexiko – und versprach, dasselbe mit Europa zu tun.
Einige dieser Maßnahmen zeugen von ideologischer Einflussnahme. Die Entscheidung, den Golf von Mexiko umzubenennen, und der offensichtliche Wille, Transgender-Personen vom Militärdienst auszuschließen, sind Ausdruck einer rechten, dogmatischen Reinheitspolitik.2 Am besten lassen sie sich als Versuch verstehen, die tief verwurzelten Überzeugungen der ideologisch gefestigtsten Mitglieder der MAGA-Bewegung in politische Realität zu verwandeln.
Aber andere Teile von Trumps früher Agenda lassen sich kaum ideologisch erklären. Es ist schlicht nicht so, dass die MAGA-Anhängerschaft seit Jahren darauf drängt, Grönland zu erobern oder die Kontrolle über den Panamakanal zurückzuerlangen. Rechte Ideologen haben keine Strafzölle gegen Kanada oder Deutschland gefordert. Sie waren nicht einmal besessen davon, USAID zu schließen oder Trump dazu zu drängen, den Gazastreifen in die „Riviera des Nahen Ostens“ zu verwandeln. Wir brauchen also eine andere Erklärung dafür, warum solche Themen in den ersten Wochen seiner Amtszeit so prominent sind.
Diese Erklärung scheint mir weniger mit Ideologie als mit Mentalität zu tun zu haben. Um Trumps Vorgehen zu verstehen, muss man seine Weltsicht begreifen. Für ihn ist praktisch jeder Bereich menschlichen Handelns ein Nullsummenspiel. Viele seiner frühen Entscheidungen lassen sich am besten als Ausdruck seiner Überzeugung deuten, dass Amerika nur dann gewinnen kann, wenn jemand anderes verliert.
Zwei Arten, die Welt zu sehen
Ein grundlegender politischer Unterschied, der oft unterschätzt wird, hat nichts direkt mit Werten oder Ideologien zu tun – und auch nicht mit ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Er rührt vielmehr aus unterschiedlichen Vorstellungen darüber, welche grundlegenden Bedingungen Kooperation und Wettbewerb in Gesellschaft, Wirtschaft und internationalen Beziehungen bestimmen.
Auf der einen Seite dieser Kluft stehen diejenigen, die glauben, dass die meisten Bereiche menschlichen Handelns Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bieten, die allen Beteiligten zugutekommen. Sie sind überzeugt, dass viele Konflikte irrational sind und gelöst werden könnten, wenn alle Seiten die Werte und Interessen der anderen besser verstünden – oder aufhören würden, sich von Vorurteilen leiten zu lassen. Anstatt sich darum zu streiten, wie der Kuchen verteilt wird, suchen sie nach Wegen, ihn zu vergrößern. Für sie ist die Welt grundsätzlich ein Win-Win-Spiel. Nennen wir sie die „Gewinner-Gewinner“.
Die Win-Win-Mentalität wird vielleicht am besten in einem der meistverkauften Bücher über Verhandlungen veranschaulicht. Getting to Yes, verfasst von führenden Köpfen des Harvard Negotiation Project, warnt davor, Verhandlungen als einen rein gegnerischen Prozess zu betrachten, bei dem es nur darum geht, eine feste Größe aufzuteilen. Stattdessen, so die Autoren, sollten die Beteiligten nach Lösungen suchen, mit denen alle Seiten wirklich zufrieden sind – idealerweise, indem sie durch Zusammenarbeit Möglichkeiten schaffen, den Kuchen zu vergrößern.
Auf der anderen Seite dieser Kluft stehen diejenigen, die überzeugt sind, dass die meisten Bereiche menschlichen Handelns Menschen in direkten Wettbewerb zueinander stellen – dass der Gewinn des einen zwangsläufig der Verlust des anderen ist. Sie halten nichts von wohlklingenden Appellen, dass am Ende alle gewinnen können. Stattdessen bestehen sie darauf, dass viele Konflikte um Werte oder Interessen nur dadurch entschieden werden, dass eine Seite sich gegen die andere durchsetzt – in der Wirtschaft auf relativ friedliche Weise, in der internationalen Politik notfalls mit Gewalt oder der Drohung, sie anzuwenden. Für sie ist die Welt grundsätzlich ein Nullsummenspiel: Das Ziel der Politik ist es, sich das größtmögliche Stück des bestehenden Kuchens zu sichern. Nennen wir sie die „Gewinner-Verlierer“.
Diese Mentalität spiegelt sich in einem anderen Bestseller über Verhandlungen wider: The Art of the Deal von Donald Trump. Obwohl das Buch von einem Ghostwriter verfasst wurde, sagt es wohl mehr über Trumps Weltsicht aus als hundert Porträts in nationalen Magazinen. Für ihn ist Verhandlung eine Art Krieg. Der beste Weg, um sich durchzusetzen, ist es, extreme Forderungen zu stellen, über eigene Mittel oder das Interesse anderer Investoren zu bluffen und mit psychologischen Tricks wie künstlichen Deadlines den Gegner unter Druck zu setzen. Das Ziel ist nicht, dass am Ende beide Seiten zufrieden nach Hause gehen – sondern, dass man dem Gegenüber so viel Wert wie möglich abringt.
Die Unterscheidung zwischen denen, die die Welt als Nullsummenspiel sehen, und denen, die sie als positives Summenspiel betrachten, passt nicht eindeutig auf das klassische Links-rechts-Schema.3 Doch in der amerikanischen Politik unserer Zeit hat sich genau diese Frage zu einer zentralen Trennlinie zwischen dem Establishment und seinen populistischen Herausforderern entwickelt. Tatsächlich stehen die beiden wichtigsten Figuren der amerikanischen Politik des 21. Jahrhunderts in dieser Hinsicht für völlig gegensätzliche Weltbilder. Während Trump der Inbegriff eines „Gewinner-Verlierers“ ist, verkörperte Barack Obama den „Gewinner-Gewinner“ wie kaum ein anderer.
Um zu verstehen, warum Trump gewonnen hat – und wo seine Regierung scheitern könnte – müssen wir die jeweiligen Stärken und Schwächen dieser beiden gegensätzlichen Denkweisen analysieren.
Die Gewinner-Gewinner
Der Glaube an Win-Win-Lösungen bildet in vielerlei Hinsicht die Grundlage der Ideen und Institutionen der modernen Demokratie.
Am offensichtlichsten zeigt sich das in der Wirtschaft. Der größte Vorteil einer Marktwirtschaft besteht darin, dass jeder von uns profitieren kann, während wir gleichzeitig unseren eigenen Interessen nachgehen. Wie Adam Smith in Der Wohlstand der Nationen feststellte: „Es ist nicht das Wohlwollen des Metzgers, des Brauers oder des Bäckers, das uns unser Abendessen sichert, sondern ihr eigenes Interesse.“
Auch im internationalen Bereich spielte die Aussicht auf Win-Win-Lösungen eine zentrale Rolle in den demokratischen Hoffnungen. Seit Thomas Hobbes darauf hinwies, wie schwer es ist, Frieden ohne eine übergeordnete Macht zu sichern, fürchten Realisten, dass die Anarchie des internationalen Systems Konflikte unvermeidlich macht. Liberale hielten dagegen, dass gut regierte Staaten, die auf die Wünsche ihrer friedliebenden Bürger eingehen, in der Lage seien, dauerhafte Bündnisse zu schmieden, die das Risiko bewaffneter Konflikte verringern. Wie Immanuel Kant in seinem Essay Zum ewigen Frieden schrieb: „Wenn das Glück es fügt, dass ein mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zur Republik bildet (die ihrer Natur nach zum ewigen Frieden geneigt ist), so gibt dies ein Zentrum der föderativen Vereinigung für andere Staaten, um sich ihr anzuschließen und so den Zustand der Freiheit der Staaten nach der Idee des Völkerrechts zu sichern.“
Im 20. Jahrhundert gingen die ambitioniertesten politischen Philosophen sogar so weit zu glauben, dass es möglich sei, die Gesellschaft so zu gestalten, dass jeder einzelne Aspekt ihr zum gegenseitigen Vorteil gereicht. In A Theory of Justice – wohl das einflussreichste Werk der politischen Philosophie der letzten hundert Jahre – begründete John Rawls seine Forderung nach strikter wirtschaftlicher Umverteilung mit dem Argument, dass das die einzige Möglichkeit sei, sicherzustellen, dass jeder vom gesellschaftlichen Zusammenleben profitiert.4
Diese optimistische Annahme über die Kraft des positiven Summenspiels bildete den intellektuellen Hintergrund für den Aufstieg Barack Obamas. Sie verlieh ihm die Überzeugung, parteipolitische Gräben überwinden zu können, nährte sein Versprechen von „Hoffnung und Veränderung“ und erklärte die breite Anziehungskraft seiner Kandidatur. In seiner wegweisenden Rede auf dem Parteitag der Demokraten 2004 sagte er:
„Wenn es ein Kind im Süden Chicagos gibt, das nicht lesen kann, dann ist das auch mein Problem – selbst wenn es nicht mein eigenes Kind ist. Wenn eine ältere Frau ihre Medikamente nicht bezahlen kann und sich zwischen Medizin und Miete entscheiden muss, dann macht das auch mein Leben ärmer – selbst wenn sie nicht meine Großmutter ist. Wenn eine arabisch-amerikanische Familie ohne Anwalt und ohne ordentliches Verfahren verhaftet wird, dann bedroht das meine bürgerlichen Freiheiten. Es ist dieser grundlegende Glaube – dass ich der Hüter meines Bruders und meiner Schwester bin –, der dieses Land zusammenhält. Er ermöglicht es uns, unsere individuellen Träume zu verfolgen und dennoch als eine einzige amerikanische Familie zusammenzustehen. E pluribus unum – aus vielen, eins.“
Diese optimistische Denkweise war ein wesentlicher Grund dafür, warum mich Obama anzog, als ich im Herbst 2007 nach Amerika zog – gerade als seine unwahrscheinliche Präsidentschaftskampagne an Fahrt aufnahm. Im Großen und Ganzen prägt die Überzeugung, dass es viele Möglichkeiten für gegenseitigen Nutzen gibt, noch immer meine Prinzipien – vielleicht sogar meine Persönlichkeit. Im Kern bin auch ich ein Gewinner-Gewinner.
Doch um zu verstehen, warum die Optimisten in den letzten zehn Jahren an Einfluss verloren haben, müssen wir Gewinner-Gewinner uns ernsthaft mit den Schwächen unserer eigenen Instinkte auseinandersetzen. Tatsächlich erklärt eine gewisse Unwilligkeit, anzuerkennen, dass ein Gewinn für die eine Seite manchmal einen Verlust für die andere bedeutet, einige der größten Schwachstellen in Obamas Präsidentschaft. Seine Gesundheitsreform zum Beispiel machte ein nicht funktionierendes Gesundheitssystem etwas weniger grausam. Doch große Reformen – selbst solche, die in der Gesamtbilanz klar positiv sind – bringen fast immer schwierige Abstriche mit sich. Viele Menschen gewannen, aber andere verloren. Dass Obamas Regierung das nicht offen aussprach, führte zu folgenreichen Fehlern – wie seinem gebrochenen Versprechen: „Wenn Ihnen Ihr Gesundheitsplan gefällt, können Sie ihn behalten.“
Ein übermäßiges Vertrauen in die Aussicht auf gegenseitigen Nutzen erklärte auch die größten Fehlschläge von Obamas Außenpolitik. Seine Annahme, dass sich die Beziehungen Amerikas zum Nahen Osten verbessern würden, wenn beide Seiten die Perspektive der jeweils anderen besser verstünden, bildete die unausgesprochene Grundlage seiner viel beachteten Rede an die arabische Welt – die jedoch im ersten Jahr seiner Präsidentschaft kaum Wirkung zeigte. Der gleiche fehlgeleitete Optimismus führte dazu, dass seine Regierung ein Abkommen mit dem Iran schloss, das die theokratische Diktatur letztlich ermutigte, ihre gefährlichsten Stellvertreter in der Region weiter zu stärken. Er verleitete Obama dazu, einen „Reset“ der Beziehungen zu Wladimir Putins Russland zu versuchen – selbst nachdem dieser längst bewiesen hatte, dass er territorialen Expansionismus nicht nur befürwortete, sondern auch in die Tat umsetzte. Und er ließ die Regierung zu langsam erkennen, dass der freie Handel mit China ernsthafte Nachteile für die amerikanische Wirtschaft mit sich brachte. 5
Die Anerkennung dieser Schwächen war wiederum ein zentraler Bestandteil von Donald Trumps politischer Anziehungskraft, als er 2016 für das Präsidentenamt kandidierte. Während des Wahlkampfs schlug er enormes Kapital daraus, dass die Welt – in manchen Fällen real, in anderen übertrieben – angeblich die Vereinigten Staaten ausnutzte. Er kritisierte europäische Länder dafür, dass sie sich auf die amerikanische Sicherheitsgarantie verließen, ohne selbst ausreichend in ihre Verteidigung zu investieren. Und er warnte so oft vor der wirtschaftlichen Bedrohung durch unfaire Konkurrenz, dass ein Zusammenschnitt seiner wiederholten China-Warnungen viral ging.
Seine zentrale Botschaft war klar: Die Politiker des Establishments – einschließlich Republikaner wie John McCain und George W. Bush – seien aufgrund ihrer Naivität über den Tisch gezogen worden. Trump hingegen würde Amerika an erster Stelle setzen. Und der erste Schritt dahin sei die Erkenntnis, dass es nicht immer eine Win-Win-Lösung gibt.
Die Gewinner-Verlierer
Falls Trumps Wiederwahlkampagne darauf beruhte, mit der positiven Win-Win-Mentalität seiner Vorgänger zu brechen, dann liefert er nun zweifellos ab. In den ersten Wochen seiner Amtszeit hat er sehr deutlich gemacht, dass er an so gut wie jeden Aspekt des politischen Lebens mit einer knallhart transaktionalen Denkweise herangeht.
Das gilt besonders für seinen Umgang mit Ländern, die er als Gegner oder Feinde betrachtet. Er ist bereit, drastische Zölle gegen China zu verhängen und Putin mit ernsthaften Konsequenzen zu drohen, sollte dieser seinen Krieg in der Ukraine fortsetzen. Gleichzeitig scheut Trump aber auch nicht davor zurück, mit Diktatoren oder Terroristen zu verhandeln – denn selbst Gewinner-Verlierer erkennen die Bedeutung von Verhandlungen an, solange sie sich sicher sind, dass sie am Ende besser dastehen. (Es gibt ein berühmtes Sprichwort über Poker: Wenn du nicht erkennst, wer am Tisch der Dumme ist, dann bist du es selbst. Wie The Art of the Deal mehr als deutlich macht, sehen Gewinner-Verlierer Verhandlungen genauso.)
Besorgniserregender ist, dass Trump dieselbe gnadenlos transaktionale Logik auch im Umgang mit Amerikas langjährigen Verbündeten anwendet. Erst diese Woche verkündete er überraschend, dass er 25 % Zölle auf Importe aus Kanada und Mexiko verhängen werde. Für einen Moment schien es, als stünde das Ende einer wirtschaftlichen Ära bevor. Doch dann wurde klar: Trump betrachtet Zölle schlicht als weiteres Druckmittel. Als Claudia Sheinbaum, die Präsidentin Mexikos, und Justin Trudeau, der kanadische Premierminister, versprachen, amerikanischen Forderungen – etwa nach mehr Investitionen in Grenzsicherheit – nachzukommen, setzte Trump die Zölle prompt wieder aus. 6
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Die gleiche Nullsummenmentalität bestimmt auch Trumps Umgang mit langjährigen Verbündeten wie Panama und Dänemark. Statt diese Länder als Freunde zu behandeln, schikaniert er sie – sei es mit der Drohung, in den Panamakanal einzumarschieren, oder mit der Idee, Grönland in die Vereinigten Staaten einzugliedern. Ob diese Provokationen, ähnlich wie die Zölle auf Kanada und Mexiko, letztlich nur als Verhandlungsmasse dienen oder ob Trump die Schwäche seiner Verbündeten ausnutzt und aus seinen überzogenen Drohungen Realität werden lässt, bleibt abzuwarten.
Diejenigen von uns, die dieses Spektakel als gefährlich und würdelos empfinden, wären gut beraten, seine Wirkung nicht zu unterschätzen. In vielen Bereichen hat Trumps Ansatz greifbare Ergebnisse erzielt. Dazu gehören auch Themen, bei denen es einen parteiübergreifenden Konsens gibt: Bush und Obama etwa wollten ebenso, dass die europäischen NATO-Partner mehr in ihre Verteidigung investieren – doch erst Trumps ständige Infragestellung des Bündnisses in seiner ersten Amtszeit brachte sie dazu, amerikanischen Forderungen endlich nachzukommen.
Diese konkreten Erfolge sind einer der Gründe, warum Trumps Zustimmungswerte – trotz fast durchweg negativer Berichterstattung in den Medien – seit seinem Amtsantritt gestiegen sind. Doch auch wenn wir die Anziehungskraft eines kompromisslos Nullsummen-orientierten Ansatzes ernst nehmen müssen, ist das kein Grund, die enormen Gefahren zu übersehen, die er mit sich bringt.
Amerika hat enorm davon profitiert, dass es in der Lage war, langfristige Partnerschaften mit Ländern aufrechtzuerhalten, die auf seine Absichten vertrauen konnten. Wenn Verbündete in Europa, Südamerika und Ostasien zu der Überzeugung gelangen, dass amerikanische Präsidenten künftig, ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen, so viel wie möglich aus diesen Partnerschaften herausholen werden, werden sie zwangsläufig beginnen, sich strategische Alternativen offenzuhalten.
Dieser Prozess wird Zeit brauchen. Länder wie Dänemark und Panama sind derzeit stark von den Vereinigten Staaten abhängig. Wenn Trump sie bedroht und unter Druck setzt, bleibt ihnen oft nichts anderes übrig, als nachzugeben. Doch langfristig wird das wachsende Bedürfnis von Staaten, die bisher vollständig in von den USA geführte Bündnisstrukturen integriert waren, ihre strategische Autonomie zu sichern, unweigerlich neue Chancen für Rivalen wie Russland und China schaffen.7
Die andere große Gefahr liegt in der Schwächung jener abstrakten, oft belächelten Prinzipien, die das Fundament der internationalen Ordnung bilden – etwa das Verbot, militärische Gewalt zur territorialen Expansion einzusetzen. Sollte Trump tatsächlich sein Versprechen umsetzen, das Territorium der Vereinigten Staaten auszuweiten, und damit die Welt in Einflusszonen unterteilen, in denen Großmächte schalten und walten, wie sie wollen, werden andere diesem Beispiel folgen. Eine Welt, in der Russland seinen Willen in Osteuropa durchsetzt und China Ostasien unterwirft, steht nicht nur im Widerspruch zu amerikanischen Interessen – sie wird auch unweigerlich mehr Krieg und Leid mit sich bringen.
Es ist leicht, Gewinner-Gewinner dafür zu verspotten, dass sie die harten Realitäten des Wettbewerbs um knappe Ressourcen oder die Unnachgiebigkeit ideologischer und religiöser Extremisten unterschätzen. Doch manche Formen des Zynismus können – trotz ihres selbstbewussten Anspruchs, die Welt realistischer zu sehen – ebenso kurzsichtig sein. Amerika ist nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil es eine Welt – oder zumindest einen Teil davon – geschaffen hat, in der Menschen und Nationen tatsächlich miteinander kooperieren und gemeinsam profitieren können. Diese langfristigen Errungenschaften für kurzfristige Vorteile aufs Spiel zu setzen, ist weit weniger „knallhart“, als es auf den ersten Blick scheint.
Deshalb bin ich letztlich nach wie vor davon überzeugt, dass Getting to Yes ein besserer Leitfaden für das Leben, für die Wirtschaft und sogar für die Politik ist als The Art of the Deal. Doch diejenigen von uns, die sich über Trumps kompromisslosen Nullsummen-orientierten Blick auf die Welt sorgen, sollten dennoch anerkennen, dass beide Perspektiven ihre Berechtigung haben. Genauso wie es ein Fehler ist, die Gesellschaft durch die eindimensionale Brille nur einer Kategorie – sei es Klasse, Rasse oder Religion – zu betrachten, ist es auch ein Fehler zu glauben, dass alle Bereiche des Lebens entweder Win-Win oder Win-Lose sind.
Dieser Text wurde mit Hilfe von KI übersetzt und von Niya Krasteva redigiert.
Während seiner ersten Amtszeit war Trump (wie ich in den vergangenen Jahren immer wieder argumentiert habe) in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Er hatte keine politische Erfahrung, keine vollständige Kontrolle über seine eigene Partei, kaum loyale Gefolgsleute für Schlüsselpositionen und trat sein Amt ohne eine ausgereifte Agenda an. All das hat sich geändert. Trump kann nun auf vier Jahre Erfahrung im mächtigsten Amt des Landes zurückblicken. Er hat es geschafft, die Republikanische Partei nach seinem Bild zu formen. Er kann auf Tausende loyale Unterstützer zählen, die bereitstehen, um in seiner Regierung zu dienen. Und er verfügt mittlerweile über eine weitaus konkretere und aggressivere Agenda.
„Wokeness“ – ein Begriff, den ich nie besonders mochte – bezeichnet eine spezifische ideologische Strömung der Linken mit klaren intellektuellen Wurzeln. Daher stehe ich der wachsenden Tendenz skeptisch gegenüber, Trumps Maßnahmen als Ausdruck einer „woken Rechten“ zu bezeichnen. Doch der wahre Kern dieses Begriffs liegt darin, dass sowohl Wokeness als auch diese ideologisch motivierten Schritte der Trump-Regierung Ausdruck einer Form von Reinheitspolitik sind, die in der Geschichte der Menschheit immer wieder in unterschiedlichen Formen aufgetaucht ist: Beide neigen zu stark symbolischen Gesten, stellen ideologische Ziele über praktische Lösungen und tendieren dazu, jeden auszugrenzen, der die Empfindlichkeiten der „Auserwählten“ verletzt.“
Insbesondere ist das Nullsummendenken sowohl am politisch äußersten linken als auch am äußersten rechten Rand stark ausgeprägt. Die extreme Linke neigt dazu, Fragen der Verteilung für weitaus wichtiger zu halten als Fragen des wirtschaftlichen Wachstums. Gleichzeitig zeigt sich die extreme Rechte besonders anfällig für Nullsummendenken in den internationalen Beziehungen, da sie glaubt, dass der Ruhm einer Nation die Unterwerfung einer anderen voraussetzt.
In der Begründung für Rawls’ „Differenzprinzip“ steht der moralische Imperativ von Positivsummenlösungen im Mittelpunkt. Bürger, die unter fairen Bedingungen die Regeln ihrer Gesellschaft festlegen – ohne aus ihren tatsächlichen Machtvorteilen Nutzen zu ziehen –, würden, so argumentierte Rawls, sicherstellen wollen, dass jeder Einzelne durch die Teilnahme an einem „fairen System sozialer Kooperation“ besser gestellt wird. Daher, so Rawls, würden Menschen, die hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ über Prinzipien der Gerechtigkeit entscheiden, verlangen, dass die Gesellschaft so gestaltet wird, dass Ungleichheiten nur dann erlaubt sind, wenn sie das Wohlergehen der am schlechtesten Gestellten maximieren. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das „Differenzprinzip“ das Positivsummendenken zur Grundlage politischer Moral machte.
Im Bereich der Außenpolitik war ein naiver Glaube an Win-Win-Lösungen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wohl ein parteiübergreifender Konsens. Obama gelangte auch deshalb an die Macht, weil er sich konsequent gegen George W. Bushs katastrophale Invasion im Irak gestellt hatte. Doch ironischerweise war diese Invasion selbst das Produkt eines fehlgeleiteten Vertrauens in Positivsummenlösungen. Ihre Planer gingen naiv davon aus, dass das irakische Volk die amerikanischen Soldaten als Befreier begrüßen würde, was das Land dazu bringen sollte, eine blühende Demokratie aufzubauen – ein Modell, das sich dann rasch in der gesamten Region ausbreiten sollte. Dabei übersahen sie, dass die Invasion ein Machtvakuum schaffen würde, das schnell von einem blutigen Nullsummenkonflikt zwischen Sunniten und Schiiten ausgefüllt werden würde.
Typischerweise hat Trump die Drohung mit Zöllen nicht vollständig vom Tisch genommen. Für jemanden, der Verhandlungsmacht so hoch einschätzt wie er, bleibt ihre mögliche Wiedereinführung ein nützliches Druckmittel.
Diese zeitliche Dimension könnte ein Grund dafür sein, warum Nullsummenansätze in demokratischen Wettbewerben oft die Oberhand gewinnen. Wenn es gelingt, einen Verhandlungspartner auszutricksen oder unter Druck zu setzen, sind die Vorteile des eigenen Sieges oft sofort spürbar. Die Kosten hingegen treten möglicherweise erst viel später zutage. Zunächst mag die andere Seite gezwungen sein, weiter mit dir zu kooperieren – doch sobald sich eine Gelegenheit bietet, wird sie sich womöglich für einen anderen Partner entscheiden.
Eine solch tiefgehende, damit erhellende scheuklappenfreie Analyse finde ich leider im deutschen -Qualitätsblätterwald kaum noch. Auch in der FAZ finde ich zunehmend Beiträge der Mittdreißiger, die bei der taz angefangen haben und sich kaum über den dort gepflegten Haltungsjournalismus hinaus entwickelt haben. Besten Dank für diesen Beitrag.